Im zweiten Teil des spannenden Experteninterviews, welches Kathrin Neumüller mit Gianni Valeri, Geschäftsführer von Leadership & Culture, geführt hat, gibt dieser konkrete Tipps, wie Führung besser gelingen kann und was er von der Diskussion zu Generationenunterschieden am Arbeitsplatz hält.

Vier praktische Tipps zur besseren Führung

Kathrin: Gute Führung hört sich in der Theorie sehr viel einfacher an, als sie in der Praxis umsetzbar ist. Vor allem, wenn Führungskräfte mit vielen operativen Aufgaben konfrontiert sind, finden sie wenig Zeit für ihre Mitarbeitenden. Welche konkreten vier Ratschläge würdest Du einer Führungsperson (z.B. einer Filialleiterin im Einzelhandel), die mit vielen operativen Aufgaben konfrontiert ist und wenig Zeit für ihre Mitarbeitenden findet, an die Hand geben?

Tipp 1: Feedback einholen

Gianni: Führung beginnt bei der Auseinandersetzung mit sich selbst, also, dass man sich selbst führt. Deshalb ist mein erster wichtiger Vorschlag, dass man Feedback zur eigenen Führung einholt: Wie wird meine Führung wahrgenommen? Dieses Feedback kann man beispielsweise bei dem/der Vorgesetzten, bei den Kolleg:Innen auf derselben Stufe oder bei den Mitarbeitenden einholen. Zugegebenermassen braucht dies Überwindung, weil nicht nur Lob, sondern möglicherweise auch Kritik kommen wird.

Tipp 2: Feedback reflektieren

Gianni: Lassen Sie den Tag oder die Woche Revue passieren und reflektieren Sie, was passiert ist und welche Wirkung Ihre Tätigkeit hatte. Diese Selbstreflektion ist essenziell. Das sollten mindestens 30 Minuten pro Woche sein. Einmal jährlich ist definitiv zu wenig.

Tipp 3: Sich Zeit für Mitarbeitende nehmen

Gianni: Nehmen Sie sich die Zeit für ein regelmässiges Teammeeting und für individuelle Meetings mit den Teammitgliedern (circa alle zwei Wochen).

Tipp 4: Lob und Kritik unmittelbar aussprechen

Gianni: Sprechen Sie Lob und Kritik immer dann aus, wenn es passiert, und versuchen Sie, diese gut auszubalancieren. Warten Sie mit Lob und Kritik nicht bis zum Qualifikationsgespräch oder bis zum nächsten Meeting. Sprechen Sie etwas unmittelbar an, weil die Unmittelbarkeit eines Feedbacks die Wirkung massiv erhöht.

Wie richtiges Selbstmanagement und Selbstreflektion helfen kann, den eigenen Führungsstil zu verbessern

Kathrin: Oft sind Bücher zu Führung auf die Interaktion mit anderen Personen gerichtet. Deine Tipps sind eher auf sich selbst gerichtet, sprich wie können wir über uns selbst reflektieren, mit uns selbst umgehen und uns selbst managen. Welche konkreten Fragen und welche konkreten Teilaspekte würdest du reflektieren?

Gianni: Führung hat vier Aspekte, die wir grundsätzlich berücksichtigen sollten:

  • Mich selbst als Führungsperson
  • Meine Mitarbeitenden
  • Die Situation
  • Die Kommunikation, d.h. wie ich die Botschaft ausliefere

Es ist wichtig, dass ich während der Selbstreflektion berücksichtige, wie meine Stimmungslage an besagtem Tag und in der besagten Situation war.

Fragen zur Selbstreflektion des eigenen Führungsstils

  • Hatte möglicherweise eine/r meiner Mitarbeitenden einen schlechten Tag?
  • Hat mein Feedback eine Reaktion ausgelöst? Es geht um die Fragen:
  • Was habe ich gemacht?
  • Wie ist es angekommen?
  • Was hat es ausgelöst?
  • Ich möchte verstehen, was ich getan habe und wie dies auf andere wirkt.

Das A und O bei Führung ist ein authentisches Auftreten

Kathrin: Gibt es eine Führungskraft oder ein Vorbild, an dem wir uns orientieren können in puncto Führungsstil?

Gianni: Wir haben alle unseren individuellen Führungsstil. Ich werde nie wie Jack Welsch oder wie Ghandi führen. Das sind die grossen Führungspersonen, die man als Vorbilder herbeizieht. Diese hatten wahrscheinlich ein grosses Talent und haben sich weiterentwickelt und gelernt. Ich kann jedoch nur führen, wie ich als Person bin. Führung sollte auf den Mitarbeitenden authentisch wirken. Jeder führt anders. Dies gilt es, herauszufinden. Deswegen kann ich niemandem sagen, wie er zu führen hat. Ich kann lediglich Ratschläge an die Hand geben, wie man das herausfinden kann, damit man authentisch führt und glaubwürdig und echt dabei ist. Nur dann kommt eine gute Beziehung zwischen den Mitarbeitenden der Führungskraft zustande.

Sind die jüngeren Generationen zu faul zum Arbeiten?

Kathrin: Es wird viel über einen Generationenunterschied in Bezug auf Mitarbeitermotivation und Arbeitsmoral gesprochen. Welche Tendenzen siehst du in Bezug auf die verschiedenen Generationen in puncto Mitarbeitermotivation und Arbeitsmoral?

Der Vorwurf «Die Jugend ist zu faul zum Arbeiten» geht bis in die Antike zurück

Gianni: Elena Obrist vom NZZ-Magazin veröffentlichte letztens eine Kolumne zum Thema «Ist die Jugend wirklich faul ?». Obrist durchsuchte die Medien über die letzten 100 Jahre hinweg und kam zu dem Schluss, dass die «Jugend von heute» immer die schlechteste ist. Die Fehde «Jung gegen Alt» sei ein altes Thema und war vor 100 Jahren dieselbe.

Kathrin: Wahrscheinlich schon seit Seneca, denn dieser störte sich schon an der Faulheit der damaligen Jugend im antiken Rom.

Die Ansprüche von Mitarbeitenden an ihren Arbeitgeber verändern sich

Gianni: Ich halte persönlich nicht sehr viel von dieser Diskussion. Die Gesellschaft verändert sich. Und wenn Gesellschaften sich verändern, verändern sich auch die Ansprüche und die Bedürfnisse der Menschen. Hier kommt die Führung ins Spiel. Führung hat vier Faktoren: Die Führungsperson, die geführte Person, die Situation und die Kommunikation. Und natürlich kann ich heute nicht mehr Befehle erteilen und hoffen, dass diese dann ausgeführt werden. Diese Art der Kommunikation kommt wahrscheinlich nicht gut bei der jüngeren Generation an. Dieses Autoritäre nehmen die Jungen nicht mehr an.

Führung braucht einen offenen Dialog

Gianni: Es stellt sich also die Frage: Wie kommuniziere ich? Wie arbeite ich in der heutigen Situation mit Menschen? Wie kann ich das Potenzial und die Fähigkeit meiner Mitarbeitenden voll ausschöpfen? Das braucht einen Dialog. Gleichzeitig das heisst nicht, dass die jungen Mitarbeitenden machen dürfen, was sie wollen. Ich als Führungskraft muss trotzdem sagen, wohin die Reise geht und was das Ziel ist. Ich muss den Mitarbeitenden eine Richtung vorgeben. Es geht um die Art und Weise, wie ich dies tue. Führung es ist keine Befehlserteilung mehr, wie es vielleicht vor 50 Jahren war.

Ich habe mit sehr jungen Menschen bei Coople Schweiz gearbeitet. Das Durchschnittsalter war 23, aber nur wegen mir. Sonst wäre es viel tiefer gewesen. Das Engagement dieser jungen Menschen war enorm. Die ersten kamen um sechs Uhr morgens und die letzten sind um zehn Uhr abends gegangen. Das ist eine andere Arbeitsart, eine andere Sicht auf Arbeit – dies muss man akzeptieren. All diese Mitarbeitenden haben sehr viel gearbeitet. Aber es war nicht mehr «Nine to five», sondern jeder hat seinen eigenen Rhythmus gewählt, was bereichernd war. Von daher kann ich diese plakativen Statements, die Jugend sei zu faul, nicht unterstützen. In Zukunft werden wir mit allen Generationen arbeiten müssen.

Es braucht zwei, wenn man eine gute Beziehung aufbauen will. Das ist auch so in der Führung. Es braucht immer zwei, die den Willen haben, miteinander etwas Gutes zu tun. Dies ist eine Führungsaufgabe. Führung ist nicht einfach, aber sehr spannend und eine unheimlich bereichernde Schule.

Kathrin: Lieber Gianni, Herzlichen Dank für den inspirierenden Austausch. Ich durfte viel Neues dazulernen.

Dr. oec. HSG Kathrin Neumüller ist  Inspirationsexpertin und Projektleiterin bei ValueQuest. Sie gibt international Impulsvorträge und Workshops zum Thema Führung, Mitarbeiterinspiration und -empowerment. Möchten Sie einen Impulsvortrag buchen? Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf unter info@valuequest.ch oder 044 786 32 52.

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Beitrag veröffentlicht am 2. August 2023

Über Dr. Kathrin Neumüller
Kathrin Neumüller, Co-Geschäftsführerin, hat welliges blondes Haar und trägt einen marineblauen Blazer über einem weissen Hemd. Sie lächelt selbstbewusst und steht in einem modernen Büro mit grossen Fenstern im Hintergrund.

Dr. oec. HSG Kathrin Neumüller ist Co-Geschäftsführerin bei ValueQuest und Expertin für Mitarbeiterinspiration und Empowerment. Daneben unterrichtet sie im MAS Business Administration strategisches Management und Marketingmanagement. Sie promovierte an der Universität St. Gallen (HSG) und verfügt über einen Master of Philosophy (M.Phil.) der University of Cambridge.

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