Mitarbeitende empowern – ja, aber richtig!

Im Unternehmenskontext bezeichnet Empowerment einen Prozess, bei dem Mitarbeitende ermächtigt werden, ihre Arbeit eigenverantwortlich zu gestalten, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Der Empowerment-Ansatz zielt darauf ab, die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern, ihre Kompetenzen zu entwickeln und letztendlich das Wachstum und den Erfolg des Unternehmens zu fördern.

Mit den gesellschaftlichen, politischen und sozialen Verschiebungen der letzten fünf Dekaden haben sich auch die Ansprüche von Mitarbeitenden an ihre Arbeit und ihre Arbeitgeber verändert. Herausforderungen ergeben sich insbesondere dann, wenn verschiedene Generationen in Teams zusammenarbeiten. Diese Realität kann Führungskräfte vor die Frage stellen, wie sie die Art und Weise der Zusammenarbeit und ihren Führungsstil weiterentwickeln können, um diesen sich verändernden und teilweise divergenten Anforderungen seitens ihrer Mitarbeitenden gerecht zu werden. Eine mögliche Lösung ist das gezielte und systematische Empowerment der Mitarbeitenden, welches in diesem Artikel vertieft wird.

Empowerment ist ein Bestandteil moderner Führung

Bedeutete Führung vor fünf Jahrzehnten noch «Fremdwillensdurchsetzung»[1], so haben wir es heutzutage mit einem ganzheitlicheren Führungskonzept zu tun: Führung bedeutet neben der klassischen «Führung von oben nach unten» auch «Selbst-Management» (Führung von sich selbst, z. B. durch Selbstreflexion), «Peer-Management» (die Führung zwischen Arbeitskollegen, z. B. durch vertikales Feedback) sowie auch «Chef-Management» (Führung von unten nach oben).2 Damit geht es also bei Führung nicht mehr hauptsächlich um Einflussnahme. Vielmehr stehen die Handlungen und Verhaltensweisen aller Mitarbeitenden und Vorgesetzten im Vordergrund, damit diese ihr Potenzial entfalten und mehr Leistung erbringen können. Leistung hat drei Komponenten: Leistungsfähigkeit (können), Leistungsbereitschaft (wollen) und Leistungsmöglichkeit (dürfen)[2] . Bei Empowerment geht es um Letztere: Empowerment zielt darauf ab, die Leistungsmöglichkeit der Mitarbeitenden zu fördern und Barrieren aus dem Weg zu räumen, die deren Potenzialentfaltung verhindern.

Die positiven Auswirkungen von Mitarbeiter-Empowerment

Die Implementierung eines umfassenden Mitarbeiter-Empowerment-Ansatzes kann positive Auswirkungen auf Mitarbeitende und den Unternehmenserfolg haben. Wenn Mitarbeitende befähigt werden, Entscheidungen selbstständig zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, fühlen sie sich wertgeschätzt und in ihre Arbeit stärker eingebunden.[3] Gleichzeitig stärkt mehr Empowerment tendenziell das Selbstvertrauen und die Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden, da sie das Gefühl haben, Einfluss auf die eigenen Arbeitsbedingungen zu haben.[4] Empowerte Mitarbeitende können ihr Potenzial entfalten und neue Ideen leichter umsetzen, was die Reaktionsfähigkeit von Unternehmen fördert – mit positiven Auswirkungen auf deren Wettbewerbsfähigkeit.[5] Aufgrund des hohen Potenzials von Mitarbeiter-Empowerment für Innovation und Mitarbeitermotivation wurde bereits viel über Empowerment in der Praxisliteratur geschrieben. Oftmals wird Mitarbeiter-Empowerment darin zu stark vereinfacht und mit gesteigerter Autonomie oder Freiraum für die Mitarbeitenden gleichgesetzt. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz und schöpft nicht das volle Potenzial des Konzepts aus.

Strukturelles Empowerment

Das Konzept des Empowerments kommt aus der Sozialpsychologie und bezieht sich auf die ganzheitliche Schaffung und Gestaltung organisatorischer Strukturen und Prozesse, um Mitarbeitenden mehr Verantwortung, Einflussnahme und Befähigung in ihrem Arbeitsumfeld zu ermöglichen.6 Empowerment umfasst vier Dimensionen (siehe Abbildung):

  1. Zugang zu Informationen bezieht sich darauf, dass Mitarbeitende Zugang zu relevanten Informationen haben, um ihre Aufgaben effektiv erfüllen zu können. Unternehmen können beispielsweise ihre Kommunikation und Informationstransparenz durch ein internes Kommunikationssystem (z. B. Intranet-Portale, regelmässige Newsletter oder Team-Meetings) fördern, das Mitarbeitenden den Zugriff auf wichtige Informationen und Ressourcen erleichtert.
  2. Entscheidungsfreiheit: Mitarbeitende können Entscheidungen in einem festgesteckten Rahmen treffen und damit Einfluss auf ihre Arbeitssituation nehmen. Ein Beispiel dafür ist, dass ein Unternehmen eine dezentrale Entscheidungsstruktur einführt, in der Mitarbeitende innerhalb klar definierter Grenzen eigenständig Entscheidungen treffen können. Damit sind Mitarbeitende befähigt, bestimmte Projekte eigenverantwortlich zu leiten oder bestimmte Budgetentscheidungen zu treffen. Empowerment heisst somit nicht «grenzenlose» Entscheidungsfreiheit, sondern vielmehr Entscheidungsfreiheit mit klar definierten Leitplanken.
  3. Ressourcen: Mitarbeitenden werden die notwendigen Ressourcen (z. B. technologisch, zeitlich oder durch Feedback) zur Verfügung gestellt, um ihre Aufgaben erfolgreich zu erfüllen. Beispielsweise kann ein Unternehmen Schulungs-, Mentoring- und Weiterbildungsprogramme anbieten, um die Fähigkeiten der Mitarbeitende zu entwickeln und zu stärken.
  4. Anreize inkludieren finanzielle Belohnungen wie Boni oder Leistungsprämien sowie auch nicht monetäre Anreize wie Anerkennung, Beförderungen oder Entwicklungsmöglichkeiten, zum Beispiel ein leistungsbezogenes Belohnungssystem, bei dem Mitarbeitende basierend auf den Leistungen und Zielerreichungen des Teams finanziell belohnt werden.

Durch die Berücksichtigung dieser vier Dimensionen des strukturellen Empowerments können Unternehmen ein empowerndes Umfeld schaffen, das Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entfalten und einen positiven Einfluss auf ihre Arbeit und das Unternehmen insgesamt zu haben. Im Rahmen von Führung bedeutet Empowerment somit, dass sich sogar der Einfluss von Führungskräften auf deren Mitarbeitende vermindern kann. Empowerment steht im Grossen und Ganzen für das Entfernen von Faktoren, welche die Selbstentfaltung der Mitarbeitenden reduzieren.

Vom strukturellen zum psychologischen Empowerment

Eine Schwäche des strukturellen Empowerments besteht darin, dass es die individuelle Wahrnehmung der Mitarbeitenden zu wenig berücksichtigt: Nur weil ein Unternehmen mehr Ressourcen und Möglichkeiten zur Verfügung stellt, bedeutet das nicht, dass sich Mitarbeitende automatisch stärker empowert fühlen. Deswegen unterscheiden wir in der Betriebswirtschaftslehre zwischen strukturellem (d.h. was Unternehmen machen können) und psychologischem Empowerment (d.h. was Mitarbeitende tatsächlich empfinden).

Laut der US-amerikanischen Organisationsforscherin Spreitzer bezieht sich psychologisches Empowerment darauf, wie Mitarbeitende subjektiv die Empowerment-Massnahmen ihres Arbeitsumfelds erleben[6] . Psychologisches Empowerment umfasst vier Dimensionen: Sinnhaftigkeit, Kompetenz, Einflussnahme und Selbstbestimmung.

  1. Sinnhaftigkeit bedeutet, dass Mitarbeitende ihre Arbeit als sinnvoll und essenziell empfinden. Ziel ist es, eine Verbindung zwischen den individuellen Aufgaben der Mitarbeitenden und der übergeordneten Mission und Vision des Unternehmens herzustellen. Unternehmen sollten ihre Unternehmensziele ihren Mitarbeitenden klar aufzeigen und kommunizieren, wie die Arbeit ihrer Angestellten zu den Unternehmenszielen und gesamtgesellschaftlichen Zielen beiträgt.
  2. Kompetenz bedeutet, dass Mitarbeitende Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihr Wissen haben, um ihre Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Das Ziel besteht darin, den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Unternehmen können beispielsweise Schulungs- und Entwicklungsprogramme anbieten, sodass Mitarbeitende neue Fähigkeiten erlernen und Wissen vertiefen können.
  3. Einflussnahme bedeutet, dass Mitarbeitende Einfluss auf Entscheidungen und Prozesse nehmen können, die ihre Arbeit betreffen. Feedback von den Mitarbeitenden einzuholen und deren Bedürfnisse und Ideen beim Entscheidungsfindungsprozess zu berücksichtigen, steigert das Gefühl von Einflussnahme bei Mitarbeitenden. Beispiele inkludieren Mitarbeiterbefragungen und/oder regelmässige Feedbackgespräche. Wichtig ist, dass Feedback in zwei Richtungen geht: Nicht nur der/die Vorgesetzte gibt dem Mitarbeitenden Feedback, sondern auch der Mitarbeitende darf der/dem Vorgesetzten Feedback und neue Ideen unterbreiten.
  4. Selbstbestimmung bedeutet Entscheidungsspielraum. Mitarbeitende sollten die Freiheit haben, ihre Arbeit eigenverantwortlich zu gestalten und Entscheidungen innerhalb klar definierter Grenzen zu treffen. Beispiele beinhalten flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, selbstständig Projekte zu leiten.

Um das Empowerment-Niveau und Handlungsfelder zu identifizieren, können Unternehmen standardisierte Fragebögen zu strukturellem und psychologischem Empowerment nutzen. Diese können in interne Mitarbeiterumfragen integriert werden. Da Mitarbeiter-Empowerment in seiner Gesamtheit mit jeweils vier Dimensionen wirksam ist, sollten jeweils alle Dimensionen gemessen werden. Dazu stellt beispielsweise Spreitzer zwölf Fragen zur Messung von psychologischem Empowerment zur Verfügung

Fazit

Der Begriff «Empowerment» wird heutzutage in Unternehmen inflationär benutzt. Während Empowerment oftmals mit gesteigerter Autonomie gleichgesetzt wird, ist das Konzept aus einer wissenschaftlichen Perspektive weitaus komplexer. In der Organisationspsychologie und Betriebswirtschaftslehre wird zwischen dem strukturellen und psychologischen Empowerment-Ansatz unterschieden. Das strukturelle Empowerment umfasst alle «sichtbaren» Massnahmen des Unternehmens, um seine Mitarbeitenden zu befähigen. Psychologisches Empowerment geht darauf ein, wie Mitarbeitende diese Massnahmen wahrnehmen und ob sie sich tatsächlich empowert fühlen. Während strukturelle Empowerment-Massnahmen in den Händen des Unternehmens und seiner Führungskräfte liegen, deutet das Niveau an psychologischem Empowerment auf das tatsächliche Erleben der Mitarbeitenden hin. Beide Konzepte hängen somit eng miteinander zusammen und sind in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Damit Empowerment-Massnahmen wirksam sind und positive Auswirkungen auf Mitarbeitende und das Unternehmen hervorrufen, ist die Erfüllung aller vier Dimensionen sowohl des strukturellen Empowerments als auch des psychologischen Empowerments ausschlaggebend.

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Quellen

[1] Seidel, Eberhard. «Betriebliche Führungsformen. Geschichte, ­Konzept,­Hypothesen.» Forschung.­Stuttgart (1978):­50.

[2] Gölzner,­Herbert,­ed.­«Erfolg­trotz­Führung:­das­systemisch-integrative­Führungsmodell:­ein­Ansatz­zur­Erhöhung­der­Arbeitsleistung­inUnternehmen.»­Wiesbaden:­DUV,­2006.

[3] Schermuly,­Carsten­C.­«Empowerment:­Die­Mitarbeiter­stärken­undentwickeln.» Handbuch­Mitarbeiterführung:­Wirtschaftspsychologisches­Praxiswissen­für­Fach-­und­Führungskräfte (2016):­15–26.

[4] Spreitzer,­Gretchen­M.­«Psychological­empowerment­in­the­workplace:­Dimensions,­measurement,­and­validation.» Academy­ofmanagement­Journal 38.5­(1995):­1442–1465.

[5] Conger,­J.­A.,­&­Kanungo,­R.­N.­(1988).«The­empowerment­process:­ Integrating­theory­and­practice.»­The­Academy­of­ManagementReview,­13(3),­471–482.

[6] Thomas,­Kenneth­W.,­and­Betty­A.­Velthouse.­«Cognitive­elementsof­empowerment:­An­‹interpretive›­model­of­intrinsic­task­motivation.» Academy­of­management­review 15.4­(1990):­666–681.

Kathrin Neumüller

Kathrin Neumüller

Dr. oec. HSG in Betriebswirtschaftslehre
Masterstudium in Sozialwissenschaften

Projektleitung, Consulting & Innovationsexpertin

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