Was ist der grösste Fehler bei Mitarbeiterbefragungen?

Mitarbeiterbefragungen sind mehr als nur ein “Fiebermessen”. Sie sind als strategisches Werkzeug zu begreifen, die zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beitragen. Doch damit dies gelingt, braucht es ein Umdenken. In unserem dynamischen Marktumfeld sind zufriedene oder engagierte Mitarbeitende längst kein Erfolgsgarant mehr. Stattdessen rücken inspirierte Mitarbeitende in den Vordergrund – sie denken und handeln unternehmerisch und sind die Treiber von nachhaltigem Erfolg. Moderne Mitarbeiterbefragungen sollten diesem Paradigmenwechsel Rechnung tragen.

Key Take-Aways:

  • Zufriedene Mitarbeitende reagieren oft nur auf aktuelle Zustände und nicht proaktiv. Zufriedenheit bedeutet nicht zwangsläufig, dass Ihre Mitarbeitenden neue Ideen einbringen oder unternehmerisch denken und handeln. Zufriedenheit kann sogar zu einer Komfortzone führen, in der sich Mitarbeitende nicht motiviert fühlen, über den Tellerrand hinauszublicken oder innovative Lösungen zu entwickeln.
  • Engagierte Mitarbeitende konzentrieren sich oft auf bestehende Aufgaben, ohne strategische Initiativen zu entwickeln. Engagement allein reicht nicht aus, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Engagierte Mitarbeitende können zwar effizient und motiviert arbeiten, jedoch fehlt oft der Blick für strategische Veränderungen und langfristige Innovationen.
  • Entwickeln Sie Fragen, die die Innovationsbereitschaft, die Inspirationskraft und das unternehmerische Denken und Handeln Ihrer Mitarbeitenden messen. Nutzen Sie diese Fragen, um die Bereitschaft zur Veränderung und die Fähigkeit zur Entwicklung neuer Ideen zu erfassen. Der Fokus sollte darauf liegen, wie Mitarbeitende zur kontinuierlichen Verbesserung und strategischen Ausrichtung des Unternehmens beitragen können.
  • Beispiele für Fragen:
    • „Wie oft fühlen Sie sich inspiriert, neue Ideen oder Lösungen für bestehende Probleme zu entwickeln?“
    • „Inwiefern fühlen Sie sich ermutigt, unternehmerisch zu denken und zu handeln?“

Das volle Potenzial von Mitarbeiterbefragungen ausschöpfen

Rund 6 von 10 Unternehmen in Deutschland führen regelmässig Mitarbeiterbefragungen durch – und das aus gutem Grund. Gelten doch Mitarbeiterbefragungen als unverzichtbares Instrument moderner Unternehmensführung. Mitarbeiterbefragungen ermöglichen es, ein objektives Stimmungsbild der gesamten Belegschaft zu erfassen und ein aussagekräftiges und differenziertes Feedback der Mitarbeitenden einzuholen. Damit ebnen sie den Weg für gezielte Verbesserungsmassnahmen der Arbeitsbedingungen und der Führungskultur.

Doch Mitarbeiterbefragungen als rein personalwirtschaftliches Instrument zu sehen, verkennt deren Potenzial: Sie sind weit mehr als nur eine Momentaufnahme der Stimmungslage der Mitarbeitenden. Echten Mehrwert schaffen Mitarbeiterbefragungen nur dann, wenn sie auch als strategisches Werkzeug genutzt werden. Auf strategischer Ebene erlauben sie, neue Trends frühzeitig zu erkennen und zukunftsgerichtete Veränderungsinitiativen anzustossen. Bei Mitarbeiterbefragungen geht es nicht nur darum, vergangenheitsbezogene Erkenntnisse zu generieren – Feedback, sondern auch darum, zukunftsorientierte Handlungsmöglichkeiten abzuleiten – Feedforward. Im Zentrum zeitgenössischer Mitarbeiterbefragungen sollten folglich die zukunftsfähigen Kompetenzen von Mitarbeitenden stehen. Doch bringen bestehende Mitarbeitende die richtigen Fähigkeiten und Kompetenzen mit, die das Unternehmen braucht, um auch in Zukunft am Markt zu bestehen? Falls nein, wie können Unternehmen diese Kompetenzen fördern?

Auswahl der Kennzahlen

Trotz der weiten Verbreitung von Mitarbeiterbefragungen, wissen viele Unternehmen immer noch nicht, wie sie Mitarbeiterbefragungen konkret als strategisches Werkzeug nutzen können. In einem ersten Schritt gilt es, zielkonforme Kennzahlen auszuwählen. Diese Kennzahlen (und die daraus resultierenden Fragen) sollten in direktem Bezug zur Positionierung und der Leistungserbringung des Unternehmens stehen, auf die Unternehmensziele einzahlen und die Unternehmenswerte widerspiegeln. Fragen wie beispielsweise “Würden Sie es begrüssen, Ihre:n Partner:in auf den Mitarbeiteranlass mitzunehmen?” haben keinen klaren Bezug zur Arbeitsleistung der Mitarbeitenden und dem damit verbundenen Unternehmenserfolg.

Jüngste technologische Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz helfen bei der Auswahl der relevanten Fragen und Kennzahlen für eine Mitarbeiterbefragung nur bedingt: KI-gestützte Umfragetools wie Survey Crafter, SurveyDone oder SurveyBuilder bieten zwar auf Knopfdruck Entwürfe für mögliche Mitarbeiterbefragungen, doch ist hier Vorsicht geboten. Nicht jede KI-generierte Frage trifft den Kern der Unternehmensvision und die übergeordneten Ziele des Unternehmens. Eine sorgfältige und kritische Auswahl durch Menschen bleibt unerlässlich. Unternehmen müssen auch im Zeitalter der generativen KI kritisch prüfen, ob einzelne Fragen und Kennzahlen wirklich auf die Unternehmenswerte und -ziele einzahlen. Das Ergebnis von Mitarbeiterbefragungen sollte es nicht sein, Datenfriedhöfe zu generieren – unabhängig davon, ob nun die Fragen von Menschen oder künstlicher Intelligenz entwickelt werden.

Die Grenzen traditioneller Kennzahlen

Besonders weit verbreitete Kennzahlen in der Mitarbeiterführung und im Personalmanagement sind Mitarbeiterzufriedenheit und -engagement. Viele Personalmanager:innen würden der Aussage zustimmen, dass eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und ein hohes Mitarbeiterengagement für ein intaktes und leistungsbereites Arbeitsumfeld sprechen. Frei nach dem Motto: “Happy employees drive success”. So einfach ist die Gleichung jedoch nicht. Betrachten wir zum Beispiel die Mitarbeiterzufriedenheit. Diese wird häufig ermittelt durch Fragen wie: „Auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 5 (sehr zufrieden), wie zufrieden sind Sie aktuell in Ihrem Unternehmen?“ Doch wie aussagekräftig ist die Antwort darauf wirklich? Mitarbeiterzufriedenheit als übergeordnete Leistungskennzahl kann irreführen. So könnte ein Mitarbeitender beispielsweise mit seinem Lohn sehr unzufrieden sein, dafür aber mit dem Umgang im Team sehr zufrieden sein. Ein differenziertes Bild der Mitarbeiterzufriedenheit erfordert eine umfassende Befragung, die Zufriedenheit entlang verschiedener Teilaspekte der Arbeit misst. Nur so können Einschätzungen zu verschiedenen Aspekten der Arbeit hinreichend erfasst werden.

Aber auch bei einer detaillierten Abfrage einzelner Arbeitsaspekte können Verzerrungen auftreten. Nehmen wir zum Beispiel eine Mitarbeiterin, die mit ihrem Lohn unzufrieden ist. Gleichzeitig ist ihr der Lohn aber nicht besonders wichtig. In diesem Fall wird eine Lohnerhöhung nicht unbedingt zu einer Leistungssteigerung führen. Um solche Verzerrungen zu vermeiden, sollte auch die subjektive Wichtigkeit einzelner Teilaspekte erhoben werden. Nur so können Unternehmen die wichtigsten Hebel zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit identifizieren. Eine Zufriedenheitsmessung sagt jedoch wenig darüber aus, wie Mitarbeitende mit Kunden und Kundinnen umgehen oder ob sie bereit sind, sich weiterzubilden, neue Kompetenzen zu erwerben und das Unternehmen voranzubringen. Auch ein Mitarbeitender, der lediglich „Dienst nach Vorschrift“ macht, kann durchaus zufrieden sein. Ob er dem Unternehmen jedoch in disruptiven Zeiten bei der Transformation hilft, ist äusserst fraglich.

Über Produktivität und Effizienz hinausdenken

Ähnlich verhält es sich mit Mitarbeiterengagement als Kennzahl. Auch ein hohes Level an Mitarbeiterengagement ist wenig aussagekräftig. Hohes Engagement deutet darauf hin, dass Mitarbeitende energiegeladen sind, sich voll und ganz ihren Aufgaben widmen und ihre Arbeit voller Enthusiasmus erledigen. Kurz gesagt, engagierte Mitarbeitende bringen einen Effizienzgewinn für Unternehmen, denn sie bewältigen ihre Aufgaben schneller, effizienter und mit höherer Konzentration.

Der digitale Wandel und der technologische Fortschritt verändern jedoch zunehmend die Anforderungen an Unternehmen und ihre Mitarbeitenden. Der Fokus verschiebt sich von der reinen Effizienzsteigerung hin zu mehr Effektivität. Die Fortführung bewährter Praktiken – more of the same – reicht nicht mehr aus, um langfristig am Markt erfolgreich zu sein. Entsprechend genügt es nicht mehr, bestehende Aufgaben schneller oder effizienter zu erledigen. Vielmehr gilt es zu hinterfragen, welche strategisch relevanten Aufgaben angegangen werden sollen – also die Effektivität der Aufgaben zu bewerten und zu entscheiden, welche Aufgaben besser von Menschen und welche besser von Maschinen erledigt werden sollten. Die Effektivität – also die Erledigung der strategisch relevanten Aufgaben – wird durch das Engagement der Mitarbeitenden kaum erfasst. Engagierte Mitarbeitende reichen in der Regel nicht aus, um den Herausforderungen eines dynamischen Marktumfeldes gerecht zu werden.

Das wird besonders deutlich, wenn wir einen Blick auf die neuesten technologischen Veränderungen im Bereich generative künstliche Intelligenz werfen. Was nützt es, wenn ein Mitarbeitender zwar engagiert ist, seine Fähigkeiten und sein Potenzial aber in Aufgaben investiert, die entweder bald automatisiert werden oder nicht den grösstmöglichen Wert für das Unternehmen oder die Gesellschaft schaffen? Wie schafft es eine engagierte Mitarbeiterin, Neues zu generieren, wenn sie in rigiden Strukturen festsitzt und kaum Freiraum hat, ihre Ideen fertig zu denken? Benötigen Unternehmen wirklich engagierte Mitarbeitende, die produktiver und effizienter arbeiten?

In einer Welt, in der künstliche Intelligenz und Automatisierung immer mehr Aufgaben übernehmen, die einst von Menschen ausgeführt wurden, verschiebt sich der Fokus menschlicher Arbeit. Anstatt in einen Wettbewerb mit Maschinen in puncto Schnelligkeit zu treten, gilt es, das einzigartige Menschliche zu fördern —  Kreativität, emotionale Intelligenz und die Fähigkeit, komplexe Probleme auf eine neue und innovative Weise zu lösen. Unternehmen sollten Mitarbeitende dazu auffordern, bestehende Aufgaben, Prozesse und Arbeitsmethoden im Hinblick auf die Unternehmensziele in Frage stellen und darauf basierend neue Ideen zu entwickeln. Idealerweise sollten alle Mitarbeitenden, ungeachtet ihrer Rolle im Unternehmen, zur Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit des Unternehmens beitragen. Es ist daher entscheidend, dass Unternehmen in Mitarbeiterbefragungen nicht nur Engagement messen und fördern, sondern auch sicherstellen, dass dieses Engagement in die richtigen Bahnen geleitet wird.

Mitarbeiterinspiration als Mitarbeiterkennzahl

In Zeiten tiefgreifender Veränderungen in Unternehmen spielt das unternehmerische Denken und Handeln von Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle. Wichtig ist, dass Mitarbeiterumfragen nicht nur die Effizienz und Produktivität, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit der Belegschaft zur Mitgestaltung des Wandels erfassen. “Mitarbeiterinspiration” hebt sich von traditionellen Kennzahlen wie Zufriedenheit und Engagement ab, indem es die Offenheit der Mitarbeitenden für Veränderungen, unternehmerisches Denken und die Bereitschaft zur Entwicklung innovativer Ideen in den Vordergrund stellt. Inspiration rückt Neues ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit, eröffnet innovative und bessere Möglichkeiten, Probleme zu lösen und regt uns an, über den Tellerrand hinauszudenken.

“Zufriedene Mitarbeiter halten eine Besprechung ab, um zu diskutieren, was man gegen Mauern tun kann. Engagierte Mitarbeiter beginnen, nach Leitern zu suchen, um die Mauer zu überwinden. Inspirierten Mitarbeitern gelingt es, direkt durch sie hindurch zu brechen.“ (Harvard Business Review, 2015)

Inspiration ist mehr als ein Führungstool

Wenn inspirierte Mitarbeitende als Katalysator für die digitale Transformation gelten, wie schaffen es Unternehmen also, ihre Mitarbeitenden zu inspirieren? Oft sind es Führungskräfte, die durch Charisma und eine packende Vision ihre Mitarbeitenden zu mehr Leistung inspirieren sollen. Doch diese Denkweise reduziert Inspiration auf einen Führungsstil. Inspiration ist weit mehr als das. Wenn wir über Inspiration nachdenken, sollten wir stets zwei Perspektiven betrachten – die Perspektive der Führungskraft, die ihre Mitarbeitenden inspirieren will, und die Perspektive der Mitarbeitenden, die darüber entscheiden, wie (inspirative) Massnahmen auf sie wirken.

Inspiration ist das persönliche Erleben von inspirierenden Momenten. Unser Zugang zu Inspiration stellt den Menschen, also die Mitarbeitenden und ihre individuelle Wahrnehmung, in den Mittelpunkt – denn Inspiration kann aus vielen Quellen kommen. Die Führungskraft ist nur eine von vielen Inspirationsquellen (Neumüller 2022). So können beispielsweise auch die vom Unternehmen angebotenen Produkte oder Dienstleistungen aufgrund ihrer Qualität oder ihres Wertversprechens inspirierend auf die Mitarbeitenden wirken. Ebenso können bestimmte Unternehmenswerte – etwa in Bezug auf Nachhaltigkeit oder Kundenorientierung – inspirierend auf die Mitarbeitenden wirken. Um den Herausforderungen des Marktes erfolgreich zu begegnen, sollten Unternehmen in ihren Mitarbeiterbefragungen den individuellen Grad der Inspiration der einzelnen Mitarbeitenden sowie ein breites Spektrum möglicher Inspirationsquellen erfassen. Ein solches Vorgehen ermöglicht es, in Mitarbeiterbefragungen gezielt Ansatzpunkte zur Steigerung der Veränderungsbereitschaft und Innovationsfähigkeit der Belegschaft zu identifizieren.

Zusammenfassung

Der Einsatz von Mitarbeiterbefragungen als strategisches Instrument erfordert eine umfassende Perspektive, die über die reine Messung von Zufriedenheit und Engagement hinausgeht. Die Berücksichtigung der Inspiration als zentrales Element kann Unternehmen dabei helfen, die Weichen für einen erfolgreichen Wandel zu stellen. Die Herausforderung besteht darin, das volle Potenzial von Mitarbeiterbefragungen auszuschöpfen, indem sowohl der Status quo erfasst wird als auch zukunftsorientierte Fragen gestellt werden, die auf die Förderung von Veränderungsbereitschaft und Innovationsgeist abzielen.

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Dieser Artikel der Autorinnen Kathrin Neumüller und Kristina Kleinlercher wurde am 28. Mai 2024 in HR-Performance publiziert:

Dr. oec. HSG Kathrin Neumüller ist Expertin im Bereich Mitarbeiter-Empowerment und Mitarbeiter-Inspiration und Projektmanagerin beim Schweizer Marktforschungsinstitut ValueQuest. Sie doziert im Executive Master an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Weiter ist sie Keynote-Speakerin und Fachbuchautorin zu den Themen Führung, Mitarbeiter-Empowerment und Mitarbeiter-Inspiration. Ihr neuestes Werk “Mitarbeiter inspirieren” erschien im Februar 2024.

Prof. (FH) Dr. oec. HSG Kristina Kleinlercher ist Professorin für Omnichannel Marketing & Sales an der MCI Internationale Hochschule GmbH. Zuvor arbeitete sie als Projektleiterin und Leiterin des Kompetenzzentrums Omnichannel & Customer Experience Management am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St.Gallen. Ihre Spezialgebiete sind Konsumentenverhalten entlang der Customer Journey, Social Media Marketing und Service Management mit besonderem Fokus auf Mitarbeiter-Inspiration.

 

Bibliographie:

Neumüller, K. (2022). Frontline Employee Inspiration in Retailing – Conceptualization, Scale Development, Sources, and Customer Outcomes (Doctoral dissertation, Universität St. Gallen).

Garton, Eric, and Michael C. Mankins. „Engaging your employees is good, but don’t stop there.“ Harvard Business Review 93 (2015): 12.

Mitarbeiterinspiration als Kennzahl bei Mitarbeiterbefragungen
Kathrin Neumüller

Kathrin Neumüller

Dr. oec. HSG in Betriebswirtschaftslehre
Masterstudium in Sozialwissenschaften

Projektleitung, Consulting & Innovationsexpertin

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